Studie: Prüfungsangst aufschreiben hilft!

Prüfungsangst aufschreiben

Prüfungsangst ist ein leidiges Thema und macht leider auch vor einem Fernstudenten nicht halt. Die Methoden und Tipps, wie man richtig mit Prüfungsangst umgehen kann sind so vielfältig, wie die Ausprägungen der Prüfungsangst selbst.

Zwei US-Wissenschaftler der University of Chicago, Gerardo Ramirez und Sian Beilock, haben nun in Versuchen im Labor und mit Schülern herausgefunden, dass die Beeinträchtigungen durch Prüfungsangst sinken, wenn man sich die Sorgen und Bedenken vor der Prüfung „von der Seele“ schreibt. Vor allem Menschen mit starker Prüfungsangst können von dieser Methode profitieren, die helfen soll, sich bei der Prüfung besser konzentrieren und somit auch besser abschneiden zu können. Für diesen Effekt soll man sich kurz vor der Prüfung nur 10 Minuten Zeit nehmen und seine Sorgen und die schlimmsten beängstigenden Szenarien aufschreiben.

Hintergrund der Untersuchung

Prüfungsangst entsteht häufig dadurch, dass die Prüflinge unter einem hohen Druck stehen. Oftmals hängt viel von der Prüfung ab, sodass man sich selbst unter Druck setzt (oder von anderen gesetzt wird), möglichst gut abzuschneiden, nicht zu versagen und keinen Black-Out zu bekommen.

Diverse Studien haben bereits gezeigt, dass die Prüfungsangst das Arbeitsgedächtnis (oder Kurzzeitgedächtnis) einnimmt, genau den Teil des Gedächtnisses der für das Erinnerungsvermögen und das Lösen der Prüfungsaufgaben erforderlich ist.

Da das Arbeitsgedächtnis nur über begrenzte Kapazitäten verfügt, werden die zur Verfügung stehenden Kapazitäten durch ängstliche Sorgen, Grübeln und Nachdenken bereits so stark belegt, dass zum Lösen der Prüfungsaufgaben nicht mehr genügend Arbeitsspeicher zur Verfügung steht.

Die fatale Folge ist, dass Personen, die unter starken Prüfungsängsten leiden, nicht mehr die Leistung abliefern können, die sie erbringen könnten, wenn das Arbeitsgedächtnis ohne Einschränkungen verfügbar wäre.

Die beiden US-Wissenschaftler Ramirez und Beilock wiesen darauf hin, dass bei Depressionen ein ähnlicher Effekt auftritt. In diesen Fällen hat das sogenannte „expressive Schreiben“ zu guten Erfolgen geführt. Die Therapieform des Expressiven Schreibens beschreibt das offene Aufschreiben von Gefühlen und Ängsten. Gerardo Ramirez und Sian Beilock vermuteten daher, dass Personen, die unter Prüfungsangst leiden, mit einer ähnlichen Methoden geholfen werden könnte.

Die Untersuchung

Die beiden US-Wissenschaftler ließen hierzu im Labor zunächst 20 Studenten einen kurzen Mathe-Vortest schreiben, um eine Datenbasis zu schaffen. Danach folgte die eigentliche Prüfung, vor der die Forscher die Probanden noch zusätzlich unter Druck setzten, indem sie ihnen erzählten, der Test würde auf Video aufgenommen werden und später Lehrern und Mitschülern gezeigt oder dass die Noten relevant für die Vergabe eines Stipendiums wären.

Kurz vor Beginn der Hauptprüfung sollte ein Teil der Studenten einfach ganz normal auf ihrem Platz sitzen bleiben, während der Test der Schüler die 10 verbleibenden Minuten dafür nutzen sollte, ihre Gedanken, Gefühle und Ängst vor der anstehenden Matheprüfung möglichst offen auf Papier zu bringen.

Das Ergebnis

Prüfungsangst aufschreibenDer Teil der Schüler, die sich den Stress vor der Prüfung von der Seele schreiben durften, schnitten unter dem künstlich erzeugten Druck fünf Prozent besser ab, als die Probanden, die ruhig auf ihrem Platz sitzen bleiben sollten.

Bei diesen wirkte sich der zusätzliche Druck sogar so stark aus, dass sie in der Hauptprüfung 12 Prozent schlechter abschnitten, als im mathematischen Vortest!

Dabei war das Ergebnis nicht nur auf das Schreiben an sich zurückzuführen. Sonst könnte man ja davon ausgehen, dass Schreiben allgemein vor der Prüfungsangst ablenkt und es dabei egal ist, was man schreibt. Dem ist nicht so! Dies zeigten die Ergebnisse eines weiteren Versuchs.

Der Kontrolltest

Für den Kontrolltest, wollten die Forscher den Effekt des Hauptversuchs im normalen Schulbetrieb überprüfen. Die Probanden waren diesmal 106 Schüler, die eine für die weiterführende Schule wichtige Prüfung bestehen mussten. Es ging für die diese Schüler also um was!

Auch in diesem zweiten Versuch ließen die Forscher einen Teil der Schüler ihre Ängst aufschreiben, während der andere Teil Gedanken zu einem neutralen Thema zu Papier bringen sollte. Das Ergebnis bestätigte die Resultate aus der Laborstudie: Im Vergleich zu früheren Arbeiten schnitten die Schüler nach dem Schreiben über ihre Prüfungsängste besser ab, als Schüler der Kontrollgruppe. Deren Leistung blieb ungefähr gleich.

Die Verbesserung trat allerdings nur dann ein, wenn die Schüler wirklich unter starker Prüfungsangst litten. Schüler, die keine Probleme mit Prüfungssituationen hatten, erzielten auch keine Verbesserung durch das Schreiben.

Schlussfolgerung

Leidet man unter starker Prüfungsangst, kann das 10-Minuten-Schreibprogramm helfen, Blockaden zu lösen und das Potential des Arbeitsgedächtnisses voll auszuschöpfen. Diese, relativ kurze Methode hilft ähnlich gut wie die expressive Schreibtherapie, die jedoch deutlich länger dauert. 10 Minuten würden also kurz vor Prüfungen helfen, Blockaden im Arbeitsgedächtnis zu lösen, bei der Prüfung besser Leistung abzurufen und somit besser abzuschneiden.

Wichtig dabei ist, sich auf Papier direkt mit der Prüfungsangst und den damit verbundenen Sorgen, Bedenken und Ängsten auseinanderzusetzen. Ein Kurztext zum nächsten Sommerurlaub wäre nicht sehr hilfreich und würde keine Verbesserung hervorrufen.

Papier fungiert somit als eine Art „externe Festplatte“, die den blockierenden Stress einfach wegspeichert und im Kopf Platz für das Wesentliche macht.

Ist die Methode alltagstauglich?

Ich finde ja. Vielleicht mag es auf den ersten Blick komisch aussehen, sich die Sorgen in einer Art Selbsttherapie von der Seele zu schrieben, vor allem wenn man nicht der Schreib- oder Tagebuchtyp ist. Aber wenn´s hilft. Wer wirklich unter starken Prüfungsängsten leidet und merkt, dass diese Angst so immens ist, dass man sich kaum mehr auf das gelernte konzentrieren kann oder sogar einen Blackout erleidet, sollte diese Methode einfach mal austesten.

In der Regel hat man vor der Prüfung noch 10 Minuten Zeit, die man zum Schreiben nutzten könnte. Voraussetzung ist natürlich, dass man nicht unter Zeitdruck ist und rechtzeitig aufsteht und sich auf den Weg macht. Meistens sind die Prüfungsräume jedoch schon früher geöffnet, sodass man auf seinem Platz noch die schlimmsten Szenarien auf Papier bringen kann. Zwar gibt es immer Leute, die auch dann zu laut sind und stören. Und am schlimmsten sind die, die sich noch direkt vor der Prüfung über den Lernstoff unterhalten, weil sie etwas noch nicht verstanden haben und einen ganz verrückt machen. Wenn man wirklich unter starker Prüfungsangst leidet, sind solche Leute tödlich.

Das Aufschreiben der eigenen Gefühlslage vor der Prüfung würde in diesem Fall ablenken und man sollte es einfach mal ausprobieren!

Die vollständige Studie ist zu finden in: Science, Bd. 331, S. 211-213, 2011. >> Kurzfassung

Über den Autor

Alicia
Hier schreibt Alicia, 36 aus dem schönen Geesthacht an der Elbe. Im WS 2010/11 habe ich ein WiWi-Fernstudium an der Fernuni-Hagen begonnen - Und bereits nach 18 Monaten erfolgreich abgebrochen. Die Gründe: Eine voreilige Entscheidung, berufliche Veränderungen und die Einsicht, dass nicht jeder der geborene Fernstudent ist. In meinem Blog berichte ich über persönliche Erfahrungen, Eindrücke, Probleme und Fragen aus meiner Fernstudienzeit, sowie allgemeine Informationen und News rund um das Thema Fernstudium und wirtschaftswissenschaftliche Studiengänge. Mein Ziel ist es, Studieninteressierte bei ihrer Entscheidungsfindung zu unterstützen, damit das Projekt Fernstudium auch ein nachhaltiger Erfolg wird.

2 Kommentare zu "Studie: Prüfungsangst aufschreiben hilft!"

  1. Hallo,

    Ich weiß dass diese Methode, des sich seine Ängste von der Seele schreiben sehr gut funktioniert. Zum einem bekommt man einen gewissen Abstand und zum anderen merkt man vielleicht, dass es ja gar nicht so schlimm zu werden braucht.
    Ich schlage vor, nach dem „sich die Angst von der Seele schreiben“ noch weitere 10 Minuten mit der Frage zu verbringen „wie wird es sein wenn ich die Prüfung bestanden habe.“

    herzliche Grüße
    Karl Wiesner

  2. Prof. Dr. Kira Klenke | 23. Oktober 2011 um 11:44 | Antworten

    Herzlichen Danke für diesen sehr wichtigen Blog!
    sehr interessant ist hier auch das Interview mit der Forscherin Prof.Beilock, der für diese Untersuchung Hauptverantwortlichen; als mp3 unter https://science.sciencemag.org/content/suppl/2011/01/13/331.6014.211.DC2

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